vorgestellt: urs bumke

Von Ludwig Feur

In Bumke’s Werkstatt ist es eng und man muss sich bücken um reinzukommen. Dort verstecken sich Bilder, Fotografien und Zettel wie schmutzige Geheimnisse, für die sich keiner mehr interessiert. Sie drängen sich auf wie Flittchen, die auf einen abgedroschenen Verrückten warten: Taxi Driver, denke ich, sehe das Schneewittchen im Glaskasten und die Goldschrift fehlt. Irgendwo darunter daneben: eingefrorene Mumien, sie gähnen und beklatschen die Reste ihres Expeditionstrupps oder sie machen sich lustig über die Kupferstiche eines gestrandeten Wals. Daneben Privatbildchen wie Fremdkörper: Aufträge, sagt er, Portraits.

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die gestrandete liebe (Urs Bumke)

Sein Wäldchen, das Hinterzimmer der alten Bäckerei ist ein Raum zwischen Feld und Dickicht: wie Schlangen lauern zerknitterte Zettel unter den Bänken. Was steht darauf und was haben sie hier verloren. Die Versuche illegalen Schnaps zu brennen gesteht er. Die Beweise beseitigt er nicht. Auch nicht die seiner Bilder: hier und da gibt es Reste von einem Anfang: an die Wände gekritzelte Texte, Briefe, die keine Lust haben die Schreibmaschine zu verlassen: man kann es sich jedenfalls nicht vorstellen. Aber sie tun es.

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kriegsverschollene

Auch seine Bilder tun es, unbemerkt, bei Nacht kommen Transporter und schaffen sie weg. Zumindest stelle ich es mir so vor. Manche kommen nie wieder und das ist der Moment wo man beginnt sie zu entdecken: die Geheimnisse und was schmutzig daran ist. Die Mumien der Antarktis verkriechen sich im Gesicht der gestrandeten Liebe: dem Wal. Dann, wenn Bumke nicht aufpasst erkennt man ihn wieder: er ist der Wal, denke ich, er ist der Wal und orangene Anzüge, eine Entsorgungsfirma vielleicht, ein Trupp bearbeitet ihn. Wieder Expedition und wieder Schweinerei: Vielleicht ist das Überhöhung, masturbierter Reichtum oder ein Gefühlsporno. Der Gestank fehlt jedenfalls, das Blut sabbert brav in der Bildmitte herum, der Zimmerboden ist ordentlich unbefleckt. Eine saubere Angelegenheit ist das und zugleich die Gefahr Bumkes: die technische Expertise überblendet die Sache. Der grauenerregende Wal ist nicht grauenerregend solange der Schock den Betrachter nicht an die Gurgel springt. Das ist aber die Frage der Hingabe, die er selbst stellt,so, das man das Fragende gerade noch erkennt. Gerade noch: Ich will das er seine Bilder abrichtet, denke ich, das er auf sie losgeht, Ringkampf anstelle der überzeugenden Handschrift.

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souvenir (Urs Bumke)

Anders bei seinen Souveniren: Menschenhäute säumen die sauberen Zimmer wie Tätowierungen auf der verkorksten Moral. Man kann nur entkommen, wenn man ein Lügner ist. Nur gut, das man das wieder abnehmen kann. Eine Ausstellung ist eine Ausstellung. Ist sie nicht: manchmal wirft sie einen frechen Schatten und ohrfeigt die verflixte Harmlosigkeit. Man kann diese Souvenire nicht in seinen Räumen zeigen, ohne sich selbst Fragen zu stellen. Aber um Antworten kann man sich drücken. Gras wächst darüber. Gras wächst über allem. In Bumkes Terrarium surrt ein Mäher. Es ist eng und wieder muss ich mich bücken um wegzukommen.

Material:
Urs Bumke – Ökologischer Realismus
John Hartnell (Eismumie von John Hartnell, Polarforscher: eines der Bilder aus Bumkes Werkstatt)
Und Bildmaterial, das mich beschäftigt hat (Kupferstiche zu Walfang, dem Wal als mythischem Wesen und anderes)

Über Urs Bumke
1980 geb. in Berlin
2001-2007 Studium Lehramt Gymnasium Kunst, Chemie und Biologie in Greifswald
2007-2008 im Malsaal am Theater Vorpommern.
2008 – 2011 Aufbau und Leitung des Ateliers der Greifenwerkstatt/ Gruppe PIX.
seit 2011 freischaffend
2012 Arbeitsstipendium für Literatur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, zusammen mit Jürgen Landt für „Grüß den krummen Stern von mir“
Organisiert gemeinsam mit Stefanie Riech den Projektraum ‚ALTE BÄCKEREI‘ in Greifswald

Projekte
2013: Ökologischer Realismus. Über den Mensch und das unsichtbare Sein. Malerei, Fotografie, Objekt, Installation. Umfaßt u.a. Die Werkgruppen “Souvenir” und “Gestrandete Liebe”.
2013: Die gerächte Strafe, Blumen hin oder her. Mach das Fenster zu, sagte das Hemd zur Hose und sprang in den Fahrstuhl. Kollaboration mit Swinx. Malerei und Collage. Amtsgericht Greifswald.
2013: Natur-Mensch-Ausstellung in St.Andreasberg/ Nationalpark Harz.
Seit 2012: Grüß den krummen Stern von mir. Mit dem Greifswalder Autor Jürgen Landt. Arbeitsstipendium des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Seit 2007: Alte Bäckerei. Mit Stefanie Riech. Gründung und Organisierung des gleichnamigen Kunst- und Projektraums in Greifswald. Ausstellungen, Performances und Transparentes Leben. Seit 2007 ca. 70 Veranstaltungen.
2008-2010: PIX. Aufbau und Organisierung eines Ateliers in der Werkstatt für behinderte Menschen in Greifswald. Etablierung einer interaktiven Kooperationsmethode, welche individuelle Unterschiede als Stärke begreift und die “Behinderung” nivelliert.
2011-2012: Schneewittchen. Institut für Biochemie Greifswald. In Assoziation mit installativen Pflanzungen entstanden bisher drei Versionen.

Links
www.ursbumke.de

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